Cony Welcker - Presse




"Mannheimer Morgen" Montag, 4. Oktober 2004




Dem “toten“ Gestein mit kreativer Hand Geschichten entlockt


Bildhauerin Cony Welcker zeigt im Kulturzentrum „Alter Bahnhof“ einen Querschnitt aus ihrem beseelten plastischen Werk


Neulußheim. Wie aus einer Quelle aufsteigend, fließen zwei engelsgleiche Flügel in den Raum, nehmen sich alle Freiheiten, die ihnen als freien Schwingen zustehen und scheinen im nächsten Moment mit kräftigen Schlägen gen Himmel zu entfleuchen – „Meine Flügel“ ist eine von insgesamt 14 Plastiken, die die freischaffende Künstlerin Cony Welcker am Wochenende im Neulußheimer Kulturzentrum „Alter Bahnhof“ ausstellte.

Die 36-jährige Mannheimerin hat zum einen die Aussagen ihrer Umwelt („Früher haben sie immer gesagt, ich sei ja so begabt“), zum anderen ihre eigene Liebe zum Handwerk in beeindruckender und äußerst reizvoller Weise verbunden und 1999 die Meisterprüfung zur Bildhauermeisterin abgelegt. Seitdem widmet sie sich neben dem reinen Bildhauerhandwerk , das zur Sicherung des Lebensunterhaltes dient, der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem besonders schwierigen Material Stein. In ihm scheint die Geschichte der Welt Form gefunden zu haben, ihm muß jede Kontur, jeder Ausdruck, jede Botschaft mit viel Kraft und Geduld abgerungen werden und er verzeiht keinen Fehler.

Die Ausstellung „Reflektionen“ , die Marianne Treiber am Freitag in Vertretung ihrers Mannes eröffnete, vereint eine locker zusammengestellte Werkschau, die keinem eigentlichen Thema zu folgen scheint. Das wäre bei der vitalen und temperamentvollen Künstlerin, die so frei und unbefangen über ihre eigene Kunst spricht, auch eher verwunderlich. Vielmehr finden sich neben einigen eher profanen Abbildern von Fröschen, Adlern und Schweinen, die allein durch ihre Lebendigkeit wirken können und einen guten Eindruck vom beachtlichen technischen Können Welckers ermöglichen, blitzartig herausgesuchte Skulpturen mit ganz unterschiedlichem geistigem Hintergrund.

So entreißt sie dem Sandstein, nahe angelehnt an ein präpariertes prähistorisches Fundstück, seine Geschichte, karikiert den Spott der Ewigkeit auf die kurze Spanne unseres Daseins aber mit einem fast augenzwinkerden Achselzucken, wenn sie die „Echse“ comicartig überzeichnet. Ebenfalls wie ein Widerhall der Historie: „2 Königinnen“ . Die mythisch wirkenden Abbilder zweier pharaonenartig angelegten Frauenköpfe seien „aus dem Bauch heraus“ entstanden, so Welcker. Dennoch erzählen die in subvulkanischem Gestein gearbeiteten Antlitze Geschichten, wenn man ihnen zu lauschen vermag.

Es ist eben diese Fähigkeit, dem im Rohzustand so tot wirkenden Gestein Leben einzuhauchen, die den künstlerischen Wert in den Arbeiten Cony Welckers ausmacht: Orpheus gleich liegt es in ihrer Hand, Felsen selbst zum Weinen zu bringen. So bannt sie „Luzifer“ in weißen Marmor statt in dunkle Töne und trifft mit den lebendigen, markanten Zügen des „Lichtbringers“ den Betrachter mitten ins Herz.

Im Zentrum der Ausstellung ein Werk zum Gedicht „Was es ist“ des österreichischen Schriftstellers Erich Fried: Weich fließt ein Paar scheinbar ineinander, nicht aber, um die individuelle Kontur zu verlieren, die nur einander angepasst ist – „Mann und Frau? Mann oder Frau?“ so schrieb dereinst der geniale Mitstreiter der legendären „Gruppe 47“ . der Betrachter sieht von den Liebenden „die Gesichter nicht“, dafür aber das Wesen: „Es ist, was es ist, sagt die Liebe“.

Cony Welcker gestattet mit dieser Ausstellung einen tiefen Einblick hinter die Kulissen einer nach außen so resoluten und unerschütterlich wirkenden Frau, einen Blick auf die Seele, die so wenig mit dem kühlen Stein zu tun haben scheint, wie die Figuren, die sie daraus erschafft. Eine Künstlerin, von der man auch künftig noch hören wird – nicht weil sie gefällig wäre oder angepasst, sondern beseelt.


mhw


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